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Aktuelles

Ehrenamt oder Bürdenamt

Rede von Schiedsperson Stephan Schmidt über das Ehrenamt, das einen wichtigen Grundpfeiler unserer Gesellschaft bildet

Beginnen wir mit einem Blick in die Vergangenheit. Das Ehrenamt hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Damals waren es vor allem kirchliche Organisationen und Zünfte, die auf die Unterstützung von Freiwilligen angewiesen waren. Das moderne Ehrenamt entwickelte sich jedoch erst im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung soziale Herausforderungen mit sich brachte. Bürgerinnen und Bürger organisierten sich in Vereinen und Verbänden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Diese Bewegung hat sich bis heute fortgesetzt und zeigt, wie tief das Ehrenamt in unserer Kultur verwurzelt ist.

Schauen wir uns nun die aktuellen Zahlen der Ehrenamtlichen in Rheinland-Pfalz an. In unserem Land sind über 3 Millionen Menschen ehrenamtlich aktiv. Das entspricht etwa einem Drittel der Bevölkerung. Diese eindrucksvolle Zahl verdeutlicht, wie bedeutend das Ehrenamt in unserer Gesellschaft ist und wie viele Menschen bereit sind, sich unentgeltlich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Die Ehrenamtlichen in Rheinland-Pfalz sind in einer Vielzahl von Bereichen aktiv. Die Bandbreite reicht von Sport und Kultur über Umweltschutz bis hin zu sozialen Projekten. Dabei ist die Verteilung der Ehrenamtlichen keineswegs gleichmäßig. Ein großer Teil engagiert sich im sozialen Bereich, sei es in der Seniorenarbeit, in der Flüchtlingshilfe oder in der Kinderbetreuung. Andere setzen sich für den Naturschutz ein, unterstützen den Breitensport oder gestalten das kulturelle Leben in ihren Gemeinden. Diese Vielfalt zeigt, wie flexibel und anpassungsfähig das Ehrenamt in seiner Natur ist.

Das Ehrenamt steht zweifelsohne im Mittelpunkt unserer Gesellschaft. Menschen, die sich freiwillig und unentgeltlich engagieren, leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Gemeinwohl.

Ehrenamtliches Engagement ist also zweifellos eine Ehre. Es ist die Möglichkeit, Gutes zu tun, sich für andere Menschen und die Gemeinschaft einzusetzen. Ehrenamtliche tragen dazu bei, soziale Probleme zu lösen, kulturelle Veranstaltungen zu ermöglichen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Das Ehrenamt bietet die Gelegenheit, Fähigkeiten und Talente sinnvoll einzubringen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Es kann eine Quelle der Zufriedenheit und des Stolzes sein, wenn man sieht, wie die eigenen Bemühungen Früchte tragen.

Soweit, so gut beziehungsweise soweit, so bekannt, denn man sollte auch – und das ist ja heute die Überschrift – einen kritischeren Blick auf das Ehrenamt werfen. Ist das Ehrenamt also nur eine Ehre oder birgt es auch eine Bürde?

Drei Vs die diese Gemengelage sehr gut umschreiben

Aus Sicht des Ehrenamtlers:

  • Verführt
  • Verwirrt
  • Verrückt

Und die drei Vs aus Sicht der anderen:

  • Verehrt
  • Verlacht
  • Vergessen

Jetzt wieder zu einer konkreteren Betrachtung hinsichtlich der Bürden:

  • Zeitaufwand: Ehrenamtliche Tätigkeiten erfordern Zeit, und in einigen Fällen kann der Zeitaufwand erheblich sein. Dies kann zu Konflikten mit anderen Verpflichtungen, wie der Familie, dem Beruf oder der persönlichen Freizeit, führen.
  • Überlastung: Ein weitverbreitetes Problem im Ehrenamt ist die Überlastung. Einige Ehrenamtliche setzen sich so intensiv ein, dass sie an ihre physischen und emotionalen Grenzen stoßen. Dies kann zu Erschöpfung und Gesundheitsproblemen führen.
  • Fehlende oder mangelnde Entlohnung: Viele Ehrenamtliche arbeiten unentgeltlich, was finanzielle Belastungen mit sich bringen kann. Dies ist insbesondere für Menschen, die finanziell auf jeden Cent angewiesen sind, eine Herausforderung bzw. überhaupt ein Hinderungsgrund, sich überhaupt gesellschaftlich zu engagieren.
  • Mangelnde Anerkennung: Ehrenamtliche Arbeit wird oft als selbstverständlich angesehen, und die Anerkennung für ehrenamtliches Engagement ist nicht immer angemessen. Dies kann zu Frustration und Entmutigung führen.
  • Rechtliche Risiken: In einigen ehrenamtlichen Tätigkeiten, insbesondere solchen, bei denen es um die Betreuung von Menschen oder um den Umgang mit finanziellen Mitteln geht, bestehen rechtliche Risiken. Ehrenamtliche können haftbar gemacht werden, wenn Fehler oder Versäumnisse auftreten.
  • Mangelnde Qualifikation: In einigen Fällen sind Ehrenamtliche möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert, um bestimmte Aufgaben zu bewältigen. Dies kann zu Problemen oder unangemessenen Entscheidungen führen.
  • Verantwortung und Stress: Ehrenamtliche, die in leitenden Positionen arbeiten, tragen oft große Verantwortung. Dies kann mit Stress und Druck verbunden sein, insbesondere wenn es um die Leitung von Organisationen oder Projekten geht.
  • Fluktuation: Ehrenamtliche können aus verschiedenen Gründen, wie persönlichen Veränderungen oder Überlastung, aussteigen. Dies kann zu einer hohen Fluktuation in ehrenamtlichen Organisationen führen und die Kontinuität der Arbeit gefährden.

Die Frage, ob das Ehrenamt eine Ehre oder eine Bürde ist, hängt oft von der persönlichen Perspektive ab. Es kann beides sein, und es liegt an jedem Einzelnen, wie er oder sie das ehrenamtliche Engagement erlebt. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt verbessern, um die Bürden zu minimieren und die Ehre zu maximieren.

Trotz dieser potenziellen Gefahren ist es wichtig zu betonen, dass das Ehrenamt viele Vorteile bietet und für viele Menschen eine äußerst erfüllende und bereichernde Erfahrung ist. Um die negativen Auswirkungen zu minimieren, ist eine gute Organisation, angemessene Anerkennung und Unterstützung für Ehrenamtliche sowie klare rechtliche Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Personen, die ehrenamtlich tätig sind, sollten sich ihrer eigenen Grenzen bewusst sein und sich nicht scheuen, Unterstützung zu suchen, wenn sie diese benötigen.

Verbesserung des Ehrenamtes sind wichtige Anliegen

Die Verbesserung des Ehrenamts und die Unterstützung von Ehrenamtlichen sind wichtige Anliegen, um sicherzustellen, dass freiwilliges Engagement nachhaltig und effektiv ist. Hier sind einige Möglichkeiten, wie das Ehrenamt verbessert und Ehrenamtliche besser unterstützt werden können:

  • Anerkennung und Wertschätzung: Anerkennung ist entscheidend, um die Motivation der Ehrenamtlichen aufrechtzuerhalten. Das kann durch Dankeschön-Veranstaltungen, Ehrungen, Auszeichnungen und einfache Dankesworte erfolgen. Die öffentliche Anerkennung von ehrenamtlicher Arbeit stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
  • Qualifizierung und Schulung: Ehrenamtliche sollten Zugang zu Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen erhalten, um ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern. Dies kann dazu beitragen, die Qualität der ehrenamtlichen Arbeit zu steigern und das Selbstvertrauen der Engagierten zu stärken.
  • Klare Aufgabenbeschreibungen: Organisationen sollten klare und realistische Aufgabenbeschreibungen für Ehrenamtliche erstellen, um Missverständnisse und Überforderung zu vermeiden. Eine genaue Definition der Erwartungen und Verantwortlichkeiten hilft, Frustration zu verhindern.
  • Unterstützende Infrastruktur: Ehrenamtliche benötigen angemessene Ressourcen, um ihre Arbeit effektiv zu erledigen. Dies kann die Bereitstellung von Materialien, Räumlichkeiten oder technischer Unterstützung einschließen.
  • Zeitmanagement: Die Planung und Organisation von ehrenamtlichen Aktivitäten sollte darauf abzielen, den Zeitaufwand für die Ehrenamtlichen zu minimieren. Dies kann durch kluge Zeitpläne, effiziente Kommunikation und die Nutzung von Technologie erreicht werden.
  • Finanzielle Unterstützung: In einigen Fällen kann finanzielle Unterstützung in Form von Erstattung von Auslagen oder Fahrtkosten die Belastung für Ehrenamtliche verringern. Dies ist besonders wichtig, wenn das Ehrenamt mit erheblichen Kosten verbunden ist.
  • Versicherung und rechtliche Absicherung: Organisationen sollten sicherstellen, dass Ehrenamtliche ausreichend versichert sind und rechtlich geschützt werden. Klare rechtliche Rahmenbedingungen und Schulungen zur Haftung können Unsicherheiten mindern.
  • Kommunikation: Offene und transparente Kommunikation zwischen Organisationen und Ehrenamtlichen ist unerlässlich. Dies kann die Erwartungen, Fortschritte und Herausforderungen einschließen.
  • Flexibilität: Organisationen sollten flexibel auf die Bedürfnisse der Ehrenamtlichen eingehen. Dies kann bedeuten, dass sie Arbeitszeiten anpassen, alternative Aufgaben anbieten oder Urlaub gewähren.
  • Möglichkeiten zur Mitbestimmung: Ehrenamtliche sollten in die Entscheidungsprozesse und die Organisation der Projekte oder Programme einbezogen werden. Dies stärkt ihr Engagement und ihre Identifikation mit der Sache.
  • Netzwerke und Unterstützungsgruppen: Die Schaffung von Netzwerken und Unterstützungsgruppen für Ehrenamtliche kann den sozialen Austausch fördern, Wissen teilen und bei der Bewältigung von Herausforderungen helfen.
  • Forschung und Evaluation: Eine kontinuierliche Evaluation der ehrenamtlichen Programme und Aktivitäten kann dazu beitragen, Schwachstellen zu identifizieren und Verbesserungen vorzunehmen.

Die Verbesserung des Ehrenamts und die Unterstützung von Ehrenamtlichen erfordern eine kombinierte Anstrengung von staatlichen Stellen, gemeinnützigen Organisationen und der Gesellschaft insgesamt. Die Schaffung eines Umfelds, das das ehrenamtliche Engagement fördert und wertschätzt, ist von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass Ehrenamtliche weiterhin einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können.

Gesetz seit über 10 Jahren im Entwurf

Dass aber auch der Gesetzgeber die Bürden des Ehrenamtes erkannt hat, zeigt folgender interessanter Gesetzesentwurf, aus dem ich auszugsweise zitieren möchte:

„Das Gesetz soll dazu beitragen, das zivilgesellschaftliche Engagement durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erleichtern. Dadurch wird es den steuerbegünstigten Organisationen und den ehrenamtlich Tätigen möglich, ihre gesamtgesellschaftlich wichtige Aufgabe noch besser wahrzunehmen.

Mit dem Gesetz sollen folgende Ziele erreicht werden:

Rechts- und Planungssicherheit für steuerbegünstigte Organisationen herstellen

Verfahrenserleichterungen für die Mittelverwendung schaffen

Optionen zur Rücklagenbildung und Vermögenszuführung eröffnen

Haftung für ehrenamtlich Tätige beschränken– gesellschaftliche Anerkennung des Ehrenamts erhöhen

Zitat Ende.

Das Gesetz trägt dann auch den sperrigen, aber sehr zutreffenden Titel: „GemEntBG-Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz“

Eherne Ziele also – aber leider blieb es nach meinem Kenntnisstand bislang bei einem Entwurf … und dieser ist schon über 10 Jahre alt Stand des Entwurfes: 25.10.12)

Packen wir es also gemeinsam an: Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler und Sie alle, liebe Gesellschaft!

Festrede anlässlich des 26. Löhndorfer Martinsmarkt 2023